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Aktuell

Toni Ebel. Illustration von Hani Esther Indictor Portner.

Toni Ebel. Illustration von Hani Esther Indictor Portner.

Kunst-Workshop „Passing the Paintbrush“: Toni Ebel

Am Montag, den 18. November findet in der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft von 14 bis 17 Uhr ein praxisorientierter Kunst- und Geschichts-Workshop „Passing the Paintbrush“ über Toni Ebel (1881–1961) statt. Er wird von Hani Esther Indictor Portner geleitet. Die Teilnehmer*innen können die Zeichnerin, Porträtistin und Malerin Ebel kennenlernen, die in ihren späten Jahren in der DDR Werke des sozialistischen Realismus schuf. Der Workshop findet in englischer Sprache statt.

In der Auseinandersetzung mit Ebels Biografie und Werk werden wir uns mit ihrer Zeit am Institut für Sexualwissenschaft, ihrem Übertritt zum Judentum und der Rettung ihrer Freundin Charlotte Charlaque vor der Deportation durch die Nazis beschäftigen. Wir werden ihre Techniken mit Ölpastellen nachahmen.

Unsere Gastkunstlehrerin ist Annelisa Leinbach. Leinbach wuchs in Arizona in einer Familie von Geologen auf und erhielt ihre erste kreative Inspiration beim Campen in den Wüsten und Bergen des amerikanischen Südwestens. Sie sucht durch ein Zusammenspiel von wissenschaftlichem Rationalismus und spiritueller Mystik nach einer tieferen Verbindung zur Natur.

Leinbach arbeitet vorwiegend mit Öl auf Leinwand und entwickelt ihre Ideen zunächst durch Skizzieren in der freien Natur. Auf der ständigen Suche nach der sakralen Bedeutung des Alltäglichen schafft sie visuelle Mythologien, die dem Betrachter bzw. der Betrachterin helfen, ein Gefühl des Staunens in seinen resp. ihren Beziehungen zum Land und den Ökosystemen zu finden. Leinbach erforscht die Poesie und Erotik der menschlichen Figur durch Porträtmalerei und spielt mit lebhaften Farbbeziehungen. Mit Hilfe der Ölmalerei der Renaissance, der Volkskunst und illuminierter Manuskripte sowie digitaler Modellierung und Fotocollage stellt sie Verbindungen zwischen der fernen Vergangenheit und einer imaginären Zukunft her. Ihre Liebe zum Reisen und zur ständigen Bewegung treibt sie an, ein Gefühl von Freiheit und Abenteuer visuell einzufangen. Sie verfügt auch über umfangreiche Erfahrungen als redaktionelle Illustratorin für Publikationen, die sich mit Natur, Wissenschaft und Technologie sowie Philosophie beschäftigen.

Siehe auch: Annelisa Leinbachs Webseite.
Anmeldung zur Veranstaltung über beratung@spinnboden.de oder über dieses Formular.

Ausstellungsplakat „Ausstellung – Malerei | Grafik“. Toni Ebel, D. Glaser-Lauermann u. a., Berlin 1957. Akademie der Künste, Berlin, Kunstsammlung, Inventar-Nr.: KS-Plakate 13313

Toni Ebel im Friedrichshainer Volkskunstkabinett 1957

Das künstlerische Werk und das persönliche Umfeld Toni Ebels, insbesondere ihrer späten Jahre, erschließen sich uns Schritt für Schritt. Immer wieder kommen neue Quellen ans Licht, die für sich betrachtet klein scheinen mögen, in ihrer Gesamtheit aber dazu beitragen, die Lebensumstände Toni Ebels über sechzig Jahre nach ihrem Tod sichtbar zu machen. Nach einer Reihe von Originalgemälden und Fotografien in Privatbesitz ist nun auch ein Kunstplakat im Bestand der Berliner Akademie der Künste aufgetaucht, auf dem der Name Ebels gleich an erster Stelle genannt wird. Demnach nahm Toni Ebel im Herbst 1957 zusammen mit Dagmar Glaser-Lauermann, deren Mann Frank Glaser, Heinrich Esser, Erwin Weiß und Herbert Borchard im Volkskunstkabinett in Friedrichshain teil. Von Borchard stammt offenbar auch die Grafik auf dem Plakat. Das Friedrichshainer Volkskunstkabinett war am 1. März 1957 für die im Stadtbezirk wohnenden Künstler*innen, Architekt*innen und Kulturschaffenden in der Stalinallee 292 (heute Karl-Marx-Allee) eröffnet worden. Die Galerie sollte nicht nur zu Ausstellungen, sondern auch zu Begegnungen dienen. Kulturschaffende konnten sich hier in den Abendstunden zu Gesprächen und Vorträgen zusammenfinden. Toni Ebel wohnte um diese Zeit in einer Atelierwohnung am Strausberger Platz 8 quasi um die Ecke. Noch wissen wir nicht, welche ihrer Werke Toni Ebel im Volkskunstkabinett ausstellte und ob sie mit den anderen Friedrichshainer Künstler*innen, die in der Ausstellung vertreten waren, auch private Kontakte pflegte, aber wir sind eigentlich ganz zuversichtlich, dass wir das eines Tages auch noch herausfinden werden.

Toni Ebel in Hirschfelds Geschlechtskunde

Eigentlich dachten wir, dass wir unseren Hirschfeld schon gut kennen. Aber manchmal sind auch wir vor Überraschungen nicht gefeit, und dass das Gute so nah liegt, hätten wir im vorliegenden Fall auch nicht gedacht. Da bedurfte es erst einer Anfrage aus Hessen, ob wir uns nicht auch schon längst gedacht hätten, bei dem Selbstporträt des „transvestitischen Malers A. E.“, das Magnus Hirschfeld 1930 im Bilderteil seines Mammutwerkes „Geschlechtskunde“ brachte, handele es sich um ein Werk Toni Ebels, hier unter den Initialen ihres Deadname. Nun, wir mussten erst auf Seite 535 nachschauen, doch dann fiel es uns wie Schuppen von den Augen. Ja, klar, das Ganzkörperporträt, von dem wir hier nur einen Ausschnitt zeigen, stellt Toni Ebel in jungen Jahren dar, daneben sogar ein Porträtfoto von ihr in „männlicher Tracht“. Vielleicht handelte es sich bei dem Gemälde um eins der Werke, mit denen Toni um 1930 ihre geschlechtsangleichenden Operationen am Institut für Sexualwissenschaft bezahlt hat. Leider ist das Original verschollen, und so kennen wir es nur in einer bescheidenen Schwarz-Weiß-Reproduktion, aber auch das ist ja allemal eine Sensation und somit einen Hinweis auf diesen Seiten wert. Herzlichen Dank an Clara Hartmann von der Lili-Elbe-Bibliothek, die dieses Bildnis von Toni Ebel für uns gefunden hat!

Toni Ebel Selbstporträt im Berliner Stadtmuseum

Kürzlich waren wir in den Werkstätten des Berliner Stadtmuseums, um uns das opulente Selbstporträt Toni Ebels von 1952 anzusehen, das demnächst auf große Reise in die Neue Welt gehen soll. Es war beeindruckend, das Gemälde einmal aus nächster Nähe studieren zu können. Wie lebhaft Tonis Gesicht wirkte, wie kunstvoll die Farbgebung auf ihrer rechten Hand daherkam! Dass da ein grüner Fleck war, der sich wie selbstverständlich als Schatten auf dem Mittelhandknöchel gab, war uns noch nie aufgefallen. Bemerkenswert auch, wie grau in grau sich Toni im Übrigen gemalt hatte. Da fiel unser Blick auf die beiden Herren, mit denen Toni da so einvernehmlich in der Schublade des Archivschranks ruhte. Zugegebenermaßen, der eine, vermutlich ein Pastor, blickte etwas grimmig drein. Umso jovialer wirkte aber der andere Herr, der vor seinem Tod wohl mal der streitenden Zunft angehört haben mag. An ihm fiel besonders die rote Doppelscherpe auf, oder was auch immer das war, was er da trug. Sollte das eine historische Federboa gewesen sein? Und wer weiß, ob nicht gerade Toni Ebel sie ihm nach einem etwas umständlichen Geständnis mit breitem Pinsel hingetupft hatte? War er ein Gleichgesinnte*r, der nun die ersten Schritte „out of the closet“ wagte? Nun, wir haben vergessen, die Sammlungsmuseologin, Frau Nagel, und die anwesende Restauratorin nach seinem Hintergrund zu fragen. Aber als wir die Schublade mit den Bildern behutsam wieder schlossen, kam es uns so vor, als wenn die drei im Schutz der Dunkelheit sogleich ihr unterbrochenes Gespräch erneut aufnahmen. Toni freute sich schon wie Bolle auf ihre bevorstehende Reise nach Chicago, wo sie in der Ausstellung The First Homosexuals zweifellos einen phänomenalen Auftritt als Vertreterin der ersten trans Bewegung der Welt haben wird. Dass sie als Star gefeiert wird, kann sie sich jetzt schon sicher sein. Der Mann mit der Scherpe, nun ja, keine Ahnung, von welchen romantischen Abenteuern er noch zu berichten wusste, egal ob sie nun wahr waren oder nicht. Und der dritte im Bunde schwieg, aber auch das kennen wir ja: Stille Wasser sind tief, und er wird schon seine Gründe haben, warum er mit der Sprache (noch) nicht rausgerückt ist.

Ein Malworkshop zu Ehren von Toni Ebel

Gesponsert durch den Initiativfonds von „Demokratie in der Mitte“ hat Hani Portner zusammen mit Annelisa Leinbach am 26. Februar 2024 in den Räumen der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft einen Mal-Workshop in Erinnerung an Toni Ebel durchgeführt: eine ganz neue, lebhafte und wunderbare Erfahrung auch für uns! Unser Archiv und unsere Bibliothek laden eben nicht nur zum stillen Studieren und Sich vertiefen in Schriftliches ein … Wir werden so einen Event ganz bestimmt bei anderer Gelegenheit wiederholen!

Ein neuer Fund!

Manchmal geschehen sogar am Kopierer wunderbare und zugleich rätselhafte Dinge. So z. B. heute, als wir in der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft zur Vorbereitung eines umfassenden Digitalisierungsprojekts ein Buch durchsahen, um relevante Abbildungen zu kopieren, und dabei auf dieses Foto stießen. Ein kurzes Zögern, ein Abgleich mit der Meinung des Kollegen, und dann stand es für uns fest: Die abgebildete Person ist Toni Ebel. Und obwohl das Buch schon sehr lange in unserem Bestand ist, haben wir das Foto erst heute entdeckt – Zufall?

Wo und wann das Bild aufgenommen wurde, geht aus der Bildunterschrift leider nicht hervor. Und auch der inhaltliche Zusammenhang, in den es eingebettet ist (Fuß- und Schuhfetischismus), klärt uns nicht über die Umstände seiner Entstehung auf. Vor allem aber stellt das Bild wie viele andere aus dem Bereich der frühen Sexualwissenschaft an uns die Frage nach der Agency der abgebildeten Personen. Wie sehr hatte Toni Ebel Einfluss auf das Foto? Und wusste sie zum Zeitpunkt der Aufnahme, dass es 1931 in einer Publikation erscheinen würde? War sie – auch später noch – mit der Bildinszenierung einverstanden? All das sind Fragen, die wir vermutlich nicht mehr beantworten können. Umso wichtiger ist es, sie zu stellen und auf die Ambivalenzen dieser fotografischen Inszenierungen hinzuweisen.

Bildquelle: Ludwig Levy-Lenz (Hg.): Hexenkessel der Liebe. Ein Querschnitt durch Erscheinungsformen menschlichen Geschlechtslebens, Leipzig 1931, S. 223.

Fotos aus dem Album von Alfred Jaekel – und eine Bekannte?

Bernd Jaekel war noch ein kleiner Junge, als er Toni Ebel bei seinen Großeltern kennenlernte, und er kann sich an sie selbst kaum erinnern. Er weiß aber noch genau, dass in der Wohnung seiner Großeltern mindestens zehn ihrer Gemälde hingen, unter ihnen wohl auch das Ölbild „Hausfrau“, das für ihn nur „Die Kartoffelschälerin“ hieß. Leider sind alle Gemälde nach dem Tod von Bernd Jaekels Großeltern verloren gegangen. Was sich aber erhalten hat, ist ein Fotoalbum, in dem auf mehreren Bildern auch Toni Ebel im Kreis von Freund*innen und Bekannten zu sehen ist. Bislang wussten wir nichts von der Freundschaft Toni Ebels zu Alfred Jaekel, Bernd Jaekels Großvater, der in den 1930er Jahren in Berlin als Schmied arbeitete und 1936 wegen Hochverrats vor dem Volksgerichtshof zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Alfred Jaekel gehörte wie Toni Ebel vor 1933 der KPD an, und auch danach noch war er in dem illegalen zentralen Berliner Lager- und Verteilungsapparat der KPD tätig, bis die Nazis ihm um 1935 auf die Spur kamen. Der Gestapo war ein umfangreicher Materialtransport aus Prag in die deutsche Reichshauptstadt aufgefallen, und im Zuge entsprechender „Verhörmethoden“ gingen ihr zahlreiche Helfer*innen des Apparats ins Netz. Die Strafen waren drakonisch, und Alfred Jaekel war einer der wenigen, die die Haft überlebten.

Die Fotos aus dem Album von Alfred bzw. Bernd Jaekel sind ausgesprochen interessant, zeigen sie Toni Ebel doch in einem für uns ganz neuen weiten Freundes- und Bekanntenkreis. Eine der auf den Fotos abgebildeten Frauen kam uns bei näherer Betrachtung dann aber doch bekannt vor: Bei „Tante Irmi“ (auf dem unteren Bild ganz links), wie Bernd Jaekel sie nannte, dürfte es sich um die Frau handeln, deren Porträt Toni Ebels erst im Sommer 2023 auf dem Antik- und Trödelmarkt in Spandau aufgefunden wurde. Es ist schon verrückt zu sehen, wie sich die Kreise schließen und der eine Fund den anderen ergänzt! Wir danken Bernd Jaekel recht herzlich dafür, dass er sich mit uns in Verbindung gesetzt hat und uns an seinen Erinnerungen teilnehmen ließ!

Drei „neue Ebels“ aus dem Bestand der Familie Ebel in Leipzig

Wie bekannt wird unsere letztjährige Ausstellung zu Toni Ebel derzeit noch im Zentrum für verfolgte Künste in Solingen gezeigt. Als uns im September die Nachricht erreichte, dass sich dort weitere Verwandte von Ebel gemeldet hatten, waren wir natürlich aus dem Häuschen. Und als wir dann kurz darauf bei einem gemeinsamen Treffen in Berlin drei „neue Ebels“ in Augenschein nehmen konnten, die unser Besuch mitgebracht hatte, strahlten unsere Augen! Bei den eher kleinformatigen Gemälden handelt es sich um zwei Landschaften und ein Stillleben, von deren Existenz wir rein gar nichts ahnten und die wir vorher noch nicht einmal in Reproduktion gesehen hatten. Eines der Werke trägt auf der Rückseite einen Aufkleber, nach dem das Bild in Öl auf der „Bezirksausstellung Friedrichshain“ entweder für 350 Mark angeboten oder sogar verkauft wurde. Auch der Titel „Templin, Durchsicht Neues Tor“ ist dort vermerkt, leider aber nicht das Jahr, sodass wir nur vermuten können, dass das Gemälde wohl irgendwann in den 50er Jahren entstanden ist. Zu den beiden anderen Werken haben wir keine weiteren Informationen, aber alle drei sind nun neben den bisher ermittelten Bildern Ebels auf unserer Website dokumentiert, siehe hier: https://toni-ebel.de/werkverzeichnis-toni-ebel/. Dass diese Seite in den letzten Monaten so gewachsen ist und hoffentlich noch weiter wachsen wird, macht uns selbst manchmal sprachlos. Tausend Dank an die Familie Ebel für ihren Besuch bei uns und das Mitbringen der Bilder! Und auch an Birte Fritsch für die Organisation des Treffens und die vielen schönen Fotos von diesem Tag!

Gustav Held in der ZK-Poliklinik der DDR

Als die Journalistin und spätere Schriftstellerin Regina Scheer wohl Anfang 1984 Inge Held (1902–1990) aufsuchte, um sie zu ihren Erfahrungen aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 zu befragen, fiel ihr Blick auf ein lebensgroßes Gemälde, das in der Wohnung Helds an der Wand hing. Es zeigte einen älteren Herrn mit Parteiabzeichen, der vor einer Bücherwand sitzend ein medizinisches Fachbuch studiert. „Mein Mann“, erklärte Inge Held, „Toni Ebel hat ihn gemalt, da hat er schon in der ZK-Poliklinik gearbeitet. Er war ein wunderbarer Mensch.“

Gustav Held (1891–1967) praktizierte ab Anfang der 1920 Jahre als Arzt in Berlin. Er überlebte die Zeit des Nationalsozialismus, weil er als Jude durch die Eheschließung mit seiner nichtjüdischen Frau vor der Deportation in ein Konzentrationslager geschützt war. Die Gestapo drängte Inge Held immer wieder, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen, erfolglos, und so konnte das Ehepaar, das zwar selbst unter den Repressalien der Nationalsozialisten leiden musste, zur Zeit des Zweiten Weltkriegs Helfer für viele Untergetauchte in Berlin werden. Nach 1950 war Gustav Held als Arzt im Regierungskrankenhaus der DDR in der Berliner Scharnhorststraße tätig.

Das Porträt, das Toni Ebel von Gustav Held gemalt hat, ist heute leider unbekannt, da der Nachlass Inge und Gustav Helds verschollen scheint. Auch war bislang nicht belegt, dass Ebel überhaupt mit dem Ehepaar Held in Kontakt stand. Doch erinnert die Beschreibung Regina Scheers von Mitte der 1980er Jahre in gewisser Weise an das Ölbild „Wissen ist Macht“, das Toni Ebel 1958 auf der Vierten Deutschen Kunstausstellung im Dresdener Albertinum zeigen konnte. Auch auf ihm ist ein Mann zu sehen, der in einer Bibliothek in ein Buch vertieft ist und deutlich erkennbar ein Parteiabzeichen trägt. Er scheint jünger zu sein als Gustav Held auf dem undatierten Foto, das von ihm erhalten ist, erinnert aber in der Statur und im Ausdruck durchaus an ihn.

Zur weiteren Lektüre empfohlen: Scheer, Regina (1984): Bürstenfabrik Otto Weidt. Ein Bericht, in: Temperamente. Blätter für junge Literatur, Nr. 3, S. 62-75, hier S. 70.

Happy and delighted!

Das hätten wir uns letztes Jahr so auch nicht träumen lassen. Unsere Ausstellung zu Toni Ebel im Sonntags-Club hat gleich mehrere Steine ins Rollen gebracht, vor allem in Hinblick auf ihr künstlerisches Werk. Zunächst konnten wir Anfang 2023 zwei Gemälde von Toni Ebel erwerben, die – auf einem beidseitig genutzten Malkarton aufgetragen – neben einem Altkleidercontainer im Berliner Umland gefunden wurden, danach tauchte eins im Depot der Neuen Nationalgalerie auf, und schließlich erhielten wir ein drittes Gemälde von ihr als Geschenk aus dem Hamburger Raum. Jetzt erreichte uns über den Umweg München-Warschau die Nachricht, dass ein privater Käufer erst letzte Woche ein Gemälde von Toni Ebel auf dem „Antik- & Trödelmarkt“ in Spandau erstanden habe. Die Hintergründe zu diesem Bild sind ganz und gar unbekannt. Weder ahnen wir, wer die abgebildete Frau auf dem Gemälde ist, noch wann und unter welchen Umständen es angefertigt wurde oder wie es schließlich nach Spandau gelangte. Aber schick ist das Bild und führt uns eine neue Facette im Werk Ebels vor Augen: Es handelt sich eben um kein Landschaftsbild, kein Stillleben, kein Selbstporträt und auch keine Darstellung, die sich dezidiert politisch positioniert. Ein Auftragswerk oder ein Freundschaftsbeweis? Die Frage können wir ebenso wenig beantworten wie die, ob und wann uns da noch andere Werke von Toni Ebel ins Haus „flattern“. Von der Dynamik, die unsere Arbeit ausgelöst hat, sind wir jedenfalls vollauf begeistert und hoffen natürlich auf weitere Entwicklungen und Funde.

Zeichen und Wunder

Kürzlich erreichte uns ein wunderbarer Anruf aus dem Hamburger Umland, und seit dem 15. Juli 2023, keine vierzehn Tage später, ist die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft stolze Besitzerin einer weiteren echten Toni Ebel. Das Werk dürfte noch vor dem Ersten Weltkrieg entstanden sein. Es zeigt unverkennbar eine norwegische Fjordlandschaft, genauer gesagt: den Fjærlandsfjord mit dem Jostedalsbreen, dem größten europäischen Festlandsgletscher, im Hintergrund, wie wir in der Zwischenzeit herausgefunden haben. Dass Toni Ebel jemals in Norwegen war, wussten wir nicht, aber möglicherweise hat sie das Bild im Kielwasser der Nordlandbegeisterung Kaiser Wilhelms auch nach einer Postkarte gemalt.

Die Schenkerin des Gemäldes konnte uns jedenfalls nicht mehr zu dessen Provenienz sagen. Sie hatte es von einer Freundin übernommen, die es wiederum von ihrem Vater geerbt hatte. Der war in den frühen 1980er Jahren aus der DDR nach Niedersachsen gezogen und hatte damals das Bild mitgebracht. Ob ihn und Toni Ebel eine persönliche Beziehung verband, ist unbekannt. Vielleicht hatte der Mann das Bild Anfang des letzten Jahrhunderts käuflich erworben, und möglicherweise hatte das Motiv es ihm irgendwie angetan. Sonst hätte er das Bild bei seiner Übersiedlung aus der DDR in die BRD kaum mitgenommen. Wie auch immer. Wir sind dankbar für dieses großartige Geschenk und sind mächtig froh, es nun zum Bestand unserer Sammlung zählen zu können!

Toni Ebels „Zerreißt den Gestellungsbefehl“ ans Licht geholt

Die Ausstellung der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft zu Leben und Werk Toni Ebels, die wir letzten Winter im Sonntags-Club in Berlin gezeigt haben und die derzeit im Zentrum für verfolgte Künste in Solingen hängt, hat für viel Wirbel gesorgt. Zum Glück! So sind wir nicht nur in Kontakt mit Verwandten Ebels gekommen und haben eine Vielzahl ihrer Werke ermittelt, die uns unbekannt waren – oft jedoch nur als fotografische Reproduktionen in der zeitgenössischen Presse. Jetzt ist uns allerdings eine ganz große Entdeckung geglückt: Wir haben ein Gemälde Toni Ebels im Original ausfindig gemacht, das wir bislang nur in Schwarz-Weiß kannten.

Das Antikriegsbild „Zerreißt den Gestellungsbefehl“ hatte Toni Ebel in der frühen Nachkriegszeit gemalt. Es wurde 1951/52 auf der Deutschen Kunstausstellung „Künstler schaffen für den Frieden“ im Berliner Museum am Kupfergraben gezeigt und damals auch für Pressezwecke fotografiert. Seitdem galt es als verschollen. Heute wissen wir, dass es ohne klare*n Besitzer*in in der Neuen Nationalgalerie in Berlin deponiert ist. Das großformatige Gemälde (125 × 179,5 cm) war lange nicht auf einen Keilrahmen aufgespannt und befindet sich in einem restaurierungsbedürftigen Zustand. Aufbewahrt wurde es zusammen mit etlichen anderen künstlerischen Werken aus einem Stapelkonvolut des ehemaligen Ministeriums für Kultur der DDR. Wie es nun mit dem Bild weitergeht und wann es restauriert werden kann, ist noch nicht geklärt. Auch wissen wir nicht, wann es einmal ausgestellt wird, aber immerhin ist seine Existenz erstmal für die weitere Zukunft gesichert!

Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie.

Artikel über Toni Ebel in Texte zur Kunst

Wir freuen uns, dass im aktuellen Heft der Texte zur Kunst ein ausführlicher Artikel über unsere Ausstellung zu Toni Ebel im Sonntags-Club zu finden ist! Unter Verweis auf das lange Verschweigen der „queeren“ Opfer im Akt des öffentlichen Gedenkens merkt die Autor*in lobend an, dass die Ausstellung „ein widerständiger Akt gegen [die] Verunsichtbarmachung ist.“ Ebel werde durch unsere Ausstellung als Lebensgefährtin Charlotte Charlaques, einer amerikanisch-jüdischen Transfrau im Umfeld des Berliner Instituts für Sexualwissenschaft sichtbar gemacht. Wir finden, das trifft es ziemlich gut. Danke, Mine Pleasure Bouvar!
 
Bouvar, Mine Pleasure: Generation Hirschfeld. Mine Pleasure Bouvar über Toni Ebel im Sonntags-Club e.V., Berlin, in: Texte zur Kunst (2023), Heft 129, S. 208-213.

Auf der Suche nach einer Quelle

Auch wenn unsere Ausstellung zu Toni Ebel nun gut verpackt auf dem Weg nach Solingen ist, gehen unsere Recherchen weiter. Kürzlich sind wir im Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin auf einen Zeitschriftenausschnitt aufmerksam geworden, der zwei Fotos von bislang unbekannten Werken Toni Ebels zeigt. Auf dem einen Foto sieht man sogar, wie Toni Ebel ihr eigenes Gemälde betrachtet. Da es in der Bildunterschrift heißt, sie sei 68 Jahre alt, muss der Ausschnitt aus den Jahren 1949 oder 1950 stammen. Hat jemand eine Idee, in welcher Zeitschrift und aus welchem Anlass die zwei Fotos erschienen sein könnten? Über Hinweise an kontakt//at//toni-ebel//de sind wir sehr dankbar.

Wie die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft zu zwei echten „Ebeln“ kam

Unsere Ausstellung zu Toni Ebel im Sonntags-Club ist mittlerweile Geschichte, aber zum Glück eine, die weitergeht. Drei Tage, nachdem die beiden Kuratoren Esra Paul Afken und Raimund Wolfert die Ausstellung abgebaut hatten, erreichte uns die aufregende Nachricht einer Person, die im Besitz eines Originalgemäldes von Toni Ebel war. Besser gesagt, im Besitz von zwei Gemälden, denn das Bild auf Holz ist beidseitig bemalt. Die Person hatte es vor sechs Jahren im Dorf Lindenberg, zwischen Buch und Ahrensfelde gelegen, am Straßenrand gefunden, nicht weit von dem Ort entfernt, an dem Toni Ebel vor 62 Jahren starb. Zusammen mit ein paar anderen ausrangierten Sachen stand es neben einem Altkleidercontainer.

Weil es signiert war, weckte das Bild Interesse, landete dann aber erst einmal im Keller, bis unsere Ausstellung im Sonntags-Club den Namen Toni Ebels wieder lebhaft in Erinnerung rief. Ein hektischer E-Mail-Wechsel folgte, und drei Tage später fand die Übergabe statt: am 60. Todestag von Charlotte Charlaque, Toni Ebels Lebenspartnerin, auf einem Schiff unweit der Berliner Friedrichstraße. So richtig nebelig war es zwar nicht, dafür lag Schnee, als das Schiff fast lautlos durchs Wasser glitt und die Anlegestelle erreichte. Ein bärtiger Kapitän stand oben am Ruder, während ein Lotse die Trosse um die Kaipoller wand. Edlich trat unsere Kontaktperson an Deck, das Losungswort „Toni Ebel“ fiel. Jetzt drehte es sich nur noch um Minuten, bis wir das Bild in Händen halten konnten. So ein Drehbuch für einen Thriller um verschollen geglaubte Kunst, Schätze aus der Vergangenheit und das Sichtbarmachen von LGBTIQA+*-Geschichte hätte sich ein/e Autor*in kaum besser ausdenken können!

Jetzt ist die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft im Besitz von zwei echten „Ebeln“. Die signierte Seite des Bildes ziert unzweifelhaft ein Selbstbildnis, doch was zeigt die Rückseite, die vermutlich ein Ausschnitt einer früheren, größeren Arbeit ist? Ein Mann mit gesenktem Blick – vertieft in die Arbeit? Ein Angeklagter in einem Gerichtssaal? Der Krimi geht weiter …

Das Zentrum für verfolgte Künste in Solingen, Foto: Pressestelle

Wiederentdeckt: Die Malerin und trans* Frau Toni Ebel

Toni Ebel gilt als eine der Vorreiter*innen in der Repräsentation von trans* Identitäten in der Kunst des Zwanzigsten Jahrhunderts. Sie ging mutig und selbstbestimmt ihren Weg: Um 1930 unterzog sie sich in Berlin geschlechtsangleichenden Operationen und konvertierte noch um 1933 zum Judentum, dem Glauben ihrer Lebensgefährtin Charlotte Charlaque. Toni Ebel überlebte die Naziherrschaft im tschechoslowakischen Exil und fand ab 1949 mit ihrer Kunst Anerkennung in der frühen DDR.

Das Zentrum für verfolgte Künste in Solingen widmet sich im März 2023 der Malerin Toni Ebel. Eine Auftaktveranstaltung findet in Zusammenarbeit mit der SPD Solingen am 12. März 2023 von 15:00 bis 17:00 Uhr statt. Genauere Angaben zu der Veranstaltung werden nachgereicht.

Veranstaltungsort: Zentrum für verfolgte Künste, Wuppertaler Straße 160, 42653 Solingen

https://verfolgte-kuenste.com/
https://www.spd-solingen.de/termin/wiederentdeckt-die-malerin-und-trans-frau-toni-ebel/

Beitrag über die Ausstellung im Kulturmagazin „Kompressor“

Am 9. November 2022 unterhielten sich Raimund Wolfert und Esra Paul Afken mit Gesa Ufer über Toni Ebel und die ihr gewidmete Ausstellung im Sonntags-Club. Heute schon wurde der Beitrag dazu im Kulturmagazin „Kompressor“ des Deutschlandfunks gesendet. Nachzuhören ist er in der Mediathek. Vielen Dank für das schöne Gespräch und den tollen Beitrag!

https://www.deutschlandfunkkultur.de/kompressor-die-ganze-sendung-dlf-kultur-45ffb5ee-100.html

Toni Ebel und ihre Freundin Charlotte Charlaque, 1933.

Toni Ebel und ihre Freundin Charlotte Charlaque, 1933.

12. November 2022, 16:00 Uhr
Gespräch mit den Kuratoren zur Ausstellung Toni Ebel (1881–1961), Malerin – eine Spurensuche

Im Rahmen der aktuellen Ausstellung im Sonntags-Club stellen sich die beiden Kuratoren Esra Paul Afken und Raimund Wolfert möglichen Fragen zum Leben der Berliner Malerin Toni Ebel (1881–1961) sowie der ihr gewidmeten Ausstellung. Alle sind willkommen, sich bei Kaffee und Kuchen an der Gesprächsrunde zu beteiligen. Die Veranstaltung findet auf Deutsch statt, bei Bedarf wird es eine Flüsterübersetzung geben.
Der Eintritt ist frei.

Ort: Sonntags-Club e.V., Greifenhagener Str. 28, 10437 Berlin,
https://sonntags-club.de